April-Zuchtwertschätzung mit einigen Neuerungen
Die April-Zuchtwertschätzung 2021 kommt mit einigen Neuerungen für die Rasse Deutsche Holsteins. Sowohl der Relativzuchtwert Gesamt (RZG) als auch einige weitere Einzelzuchtwerte wurden im Laufe des vergangenen Jahres auf den Prüfstand gestellt und überarbeitet.
Der RZG wird seit der erstmaligen Veröffentlichung vor 24 Jahren nun in der vierten Überarbeitung herausgegeben. Der deutsche Gesamtzuchtwert vereint seit jeher alle wichtigen Schwerpunkte des Zuchtziels für die deutsche Holsteinrasse. Die Einführung und Etablierung neuer Merkmale und Zuchtwerte sowie Änderungen in der Zuchtausrichtung durch sich wandelnde technische Möglichkeiten und wirtschaftliche oder gesellschaftliche Ansprüche erfordern und ermöglichen gelegentlich die Überarbeitung eines Gesamtzuchtwertes. Mit dem RZGesund (allgemeine Gesundheit) und dem RZKälberfit (Jungtiergesundheit), die seit ihrer Einführung 2019 die Bullenselektion auf den Betrieben zunehmend beeinflussen, stehen nun direkte Zuchtwerte zur Verbesserung der Tiergesundheit zur Verfügung. Sie ermöglichen eine gezieltere Zucht auf eine Erkrankungsresistenz als es Hilfsmerkmale wie der RZS (Zellzahl), der RZR (Töchterfruchtbarkeit) und der RZN (Nutzungsdauer) konnten. In der Neugewichtung des RZG nehmen der RZGesund 18 % und der RZKälberfit 3 % ein. Der RZGesund setzt sich dabei aus den Zuchtwerten RZEuterfit (40 %), RZKlaue (20 %), RZRepro (15 %) und RZMetabol (25 %) zusammen.
Größere Veränderungen beim RZM
Die Hereinnahme neuer Merkmale erfordert im gleichen Zug die Reduzierung der Gewichtung anderer Zuchtwerte im Gesamtindex. Der Milchleistungszuchtwert RZM sinkt daher zugunsten der Gesundheitszuchtwerte auf einen Anteil von 36 %, bleibt damit aber weiterhin der bedeutendste Zuchtwert im überarbeiteten RZG. Die schon heute hervorragende Milchleistung der Deutschen Holsteins erlauben eine Verschiebung der Gewichtung hin zu mehr Gesundheit, was zusätzlich wirtschaftliche Vorteile durch die Vermeidung von Behandlungskosten und krankheitsbedingten Leistungseinbußen bringt. Außerdem tritt die deutsche Holsteinzucht der bisweilen vorgetragenen gesellschaftlichen Kritik an der modernen Milchwirtschaft mit der Neugewichtung des RZG aktiv entgegen und setzt einen klaren Fokus auf das Tierwohl.
Insgesamt ist auch zukünftig ein positiver Zuchtfortschritt in der Milchleistung zu erwarten, jedoch wird es einige Veränderungen in den Toplisten geben, da Bullen mit hohem RZM und niedrigeren Zuchtwerten für den RZGesund zu den Verlierern dieser Überarbeitung zählen. Im Gegenzug steigen Bullen mit einem hohen RZGesund in der Rangierung auf.
Der RZGesund ersetzt Teile weiterer Zuchtwerte
Die Neuaufnahme des RZGesund in den RZG erlaubt es, das Hilfsmerkmal Zellzahl (RZS) aus dem RZG zu streichen, da der RZGesund als direktes Merkmal der Eutergesundheit fungiert. Aufgrund des Anteils von 40 % für den RZEuterfit im RZGesund kompensiert dieser den Wegfall des RZS mit einer Gewichtung von 7,2 % im RZG umfassend. Die Streichung des RZS aus dem RZG wird sich daher nicht negativ auf die Eutergesundheit auswirken. Zusätzlich verlieren auch der RZN und der RZR zugunsten des RZGesund und RZKälberfit an Gewicht. Da sich die neuen Gesundheitszuchtwerte positiv auf die Nutzungsdauer und die Fruchtbarkeit auswirken, wird der Zuchtfortschritt in diesen Merkmalen weiter fortschreiten.
Als weitere Neuerung im RZGesund wird die Korrelation der vier eingehenden Zuchtwerte zueinander berücksichtigt. Da die vier Zuchtwerte jeweils mit ca. 0,3 positiv korrelieren, kompensiert dies die geringe Sicherheit der Einzelmerkmale und den bisher noch kleinen Datenhorizont gegenüber dem RZM. In der Folge, erhöht sich die Streuung und Sicherheit des RZGesund und die bisher vom RZG gewohnte Streuung bleibt erhalten.
Der RZR erfährt aufbauend auf die genetisch-ökonomischen Berechnungen im RZ€ eine etwas andere Gewichtung. Insbesondere die Informationen aus Kuh-Besamungen werden gegenüber denen aus Rinder-Besamungen zukünftig für die Non-Return-Rate und die Verzögerungszeit deutlich höher gewichtet. Gleichzeitig erhalten die zwei Merkmale als Teil der Konzeption mit 90 % gegenüber der Rastzeit ein höheres Gewicht im RZR (bisher 75 %).
Das Exterieur wird erweitert
Wie bisher auch, wird nicht der RZE (Exterieur-Zuchtwert) als Ganzes in den RZG eingehen. Die Komplexe Euter
und Fundament
werden jedoch um den Komplex Körper
ergänzt. Für die funktionale Kuh spielt der Körperbau eine wichtige Rolle. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, diesen Komplex in den RZG aufzunehmen. Extreme Ausprägungen einiger Merkmale im Komplex Körper
, wie z. B. die Körpergröße, werden dabei negativ berücksichtigt.
Für die drei Teilzuchtwerte im Exterieur-Block gehen ab der April-Zuchtwertschätzung ebenfalls zum ersten Mal die korrelierten Informationen ein. Der Einfluss des geänderten Schätzmodelles bewirkt auch bei diesen Zuchtwerten eine Erhöhung der Streuung und Sicherheit. Insgesamt fällt der Effekt gegenüber dem RZGesund jedoch weniger stark aus, da die Korrelationen heterogener sind.
Kalbezuchtwerte im RZG
Die maternalen Kalbemerkmale (RZKm) werden im neuen RZG um die direkten Kalbemerkmale (RZKd) ergänzt. Insgesamt entfallen dann 3 % auf beide Merkmale. Zudem werden innerhalb der beiden Einzelmerkmale die Totgeburten höher gewichtet als der Kalbeverlauf, da beim Kalbeverlauf nur eine geringe Varianz zu beobachten ist und das Merkmal Totgeburten daher einen höheren Informationsgehalt mit sich bringt. Die Neugewichtung führt in den Zuchtwerten nur zu kleinen Änderungen, da die Korrelation zwischen Totgeburten und dem Kalbeverlauf hoch ausfällt.
Melkbarkeit erfährt Harmonisierung
Im Rahmen der EuroGenomics-Kooperation wird die Zuchtwertschätzung auf europäischer Ebene in einzelnen Merkmale vereinheitlicht. Als ersten Zuchtwert betrifft dies die Melkbarkeit. Die bisher im Rahmen der linearen Bewertung erfassten Angaben zur Melkbarkeit werden zukünftig nicht mehr berücksichtig. Stattdessen fließt ausschließlich das objektiv gemessene Merkmal durchschnittliches Minutengemelk in den Zuchtwert ein.
Der neue RZG ermöglicht es Landwirten, gezielt auf hohe Milchleistungen und eine gute Gesundheit ihrer Tiere zu züchten und wird gleichzeitig den sich wandelnden Ansprüchen an die moderne Milchwirtschaft gerecht.
BRS