RZ - Richtig züchten mit den Gesundheitszuchtwerten der deutschen Holsteinzucht
Die deutsche Holsteinzucht führte erstmalsim April 2019 direkte genomische Gesundheitszuchtwerte ein. Die Gesundheitszuchtwerte zeigen auf, welche Vererber widerstandsfähige Nachkommen hervorbringen. Sie verbessern damit effektiv, schnell und zielgenau die Tiergesundheit in der Herde ohne auf Leistung verzichten zu müssen. Ab sofort erscheinen mit den Zuchtwertschätzungen diese fünf neuen Gesundheitszuchtwerte:
- RZEuterfit mit Merkmalen zu klinischer und subklinischer Mastitis
- RZKlaue mit Merkmalen zu Klauenerkrankungen
- RZMetabol mit Merkmalen zu Stoffwechselerkrankungen
- RZRepro mit Merkmalen zu Störungen der Fortpflanzung
- RZGesund als Gesamtzuchtwert, in dem alle vier Werte entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gewichtet sind
Insgesamt 13 Merkmale sind in den neuen Komplexzuchtwerten berücksichtigt. Möglich geworden sind die genomischen Zuchtwerte durch mehrere große Projekte zur genomischen Typisierung und zur systematischen Gesundheitsdatenerfassung in deutschen Betrieben. Die Daten sind daher sehr gut an deutsche deutscher Herden- und Betriebsstrukturen angepasst. Die genomischen Zuchtwerte bieten Sicherheiten zwischen 50 % und 60 % – diese Werte sind für ein Gesundheitsmerkmal sehr hoch und sprechen für die überlegene Datenqualität der deutschen Relativ-Zuchtwerte und Zuchtwertschätzverfahren.
Der Grundstein für eine gesunde und Leistungsfähige Kuh wird jedoch schon im Kälberalter gelegt. Mit der Einführung des RZKälberfit ist nun die nachhaltige züchterische Verbesserung der Kälbervitalität möglich. Dieser Zuchtwert bietet nun die Chance durch gezielte Zucht die Wiederstandsfähigkeit der Kälber zu erhöhen und Kälberverluste zu senken.
Mastitis ist die wirtschaftlich wichtigste Eutererkrankung. Eine züchterische Verminderung der Mastitisrate bringt finanziell und für das Tierwohl große Vorteile.
Mastitis ist nach wie vor die Erkrankung mit der größten wirtschaftlichen Bedeutung in unseren Milchviehbeständen. Eine klinische Euterentzündung in der Frühlaktation kostet pro Tier schnell 400 bis 600 Euro an Behandlungskosten, Milchgeldverlust, Arbeitszeit etc. Eine subklinische Mastitis (erkennbar an einer erhöhten Zellzahl) schlägt mit bis zu 200 Euro je Tier zu Buche. Mit dem neuen Zuchtwert RZEuterfit lässt sich das Auftreten von Mastitis nun ganz gezielt verringern. Die weltweit einmalige Kombination aus direkten Gesundheitsdaten, die frühe und späte Erkrankungen erfassen, und Abgangsursachen wirkt sich beim genomischen Zuchtwert RZEuterfit ganz besonders positiv aus: Die Sicherheit liegt bei 61 % Durch die Berücksichtigung des RZEuterfit bei der Selektionsentscheidung lässt sich die Mastitisrate in der Herde zielgerichtet und schnell senken.
Milchleistung steht auf gesunden Klauen und genau das garantiert der neue Zuchtwert RZKlaue. In diesem neuen Gesundheitsindex sind die sechs wichtigsten Klauenerkrankungen kombiniert und entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gewichtet:
- Dermatitis Digitalis (Mortellaro) 30 %
- Klauengeschwüre 15 %
- Panaritium 15 %
- Weiße Linie Defekt 15 %
- Klauenrehe 15 %
- Limax/Zwischenklauenwulst 10 %
Die starke Gewichtung von Mortellaro im neuen Zuchtwert kommt dabei nicht von ungefähr, denn die infektiöse Klauenerkrankung breitet sich zurzeit stark in den Milchviehbeständen aus. Der RZKlaue erweitert den bisherigen Zuchtwert DDcontrol um weitere wichtige Merkmale für die Zucht auf Klauengesundheit. Durch Berücksichtigung des Wertes bei Anpaarungsentscheidungen kann so effektiv gesteuert werden. RZKlaue ist ein entscheidender Schritt zu mehr Klauengesundheit in der ganzen Herde. Die Sicherheit des genomischen Zuchtwertes RZKlaue liegt bei 51 %
Die Stoffwechselgesundheit ist gerade bei hochleistenden Kühen von immenser Bedeutung: für die Wirtschaftlichkeit und das Tierwohl. Bisher gab es keine brauchbaren Hilfsmerkmale, die deren Erfassung und somit die Schätzung eines Zuchtwertes zuließen. Im genomischen Zuchtwert RZ Metabol werden nun erstmals diese Merkmale mit folgender Gewichtung zu einem Index verrechnet:
- Labmagenverlagerung 40 %
- Milchfieber 30 %
- Ketose 30 %
Die Datengrundlage des RZ Metabol wird sich in den kommenden Jahren noch wesentlich vergrößern, so dass die Sicherheit dieses genomischen Zuchtwertes in Zukunft noch weiter ansteigen wird. Aktuell liegt die Sicherheit bei 55%.
Nur Kühe, die schnell und problemlos wieder tragend werden, verbleiben viele Laktationen in der Herde. Dafür ist die Gesundheit des Fortpflanzungstraktes von großer Bedeutung. Mit RZRepro kann erstmalig auf gesunde Fortpflanzungsorgane bei der Kuh gezüchtet werden. Der genomische Relativzuchtwert RZRepro umfasst Reproduktionsstörungen, die früh (Gebärmutterentzündung, Nachgeburtsverhaltung) und spät (Zyklusstörungen) in der Laktation auftreten, in wirtschaftlich optimaler Weise:
- Zyklusstörungen (z.B. durch Zysten) 50 %
- Entzündungen der Gebärmutter und ihrer Schleimhaut 25 %
- Nachgeburtsverhaltungen 25 %
Die Zyklusstörungen weisen eine Korrelation zu den bisher schon im RZR (Töchterfruchtbarkeit) erfassten Merkmalskomplex Rastzeit
auf und wurden bereits indirekt züchterisch bearbeitet. Daten zu den Gesundheitsmerkmalen Gebärmutterentzündung
und Nachgeburtsverhaltungen
wurden jedoch nicht erhoben – bis zur Entwicklung des neuen genomischen Relativzuchtwertes RZRepro. Dank des neuen Komplexes und der darin verarbeiteten Daten ist nun eine gezielte Zucht auf reproduktionsgesunde Tiere möglich. Die Sicherheit des genomischen Zuchtwertes beträgt 52 %, ein sehr guter Wert für niedrig erbliche Merkmale.
Der Gesundheitszuchtwert RZ Gesund ist ein Gesamt-Index für die vier Komplexe RZ Euterfit, RZ Klaue, RZ Repro und RZ Metabol. Entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sind sie im RZGesund wie folgt gewichtet:
- RZEuterfit 40 %
- RZMetabol 25 %
- RZKlaue 20 %
- RZRepro 15 %
Die Selektion mit dem RZGesund erlaubt die züchterische Verbesserung aller 13 Gesundheitsmerkmale, die in den vier Relativzuchtwerten erfasst werden. So sind mit nur einem Wert alle wichtigen Merkmalskomplexe abgedeckt bzw. die wichtigsten Erkrankungen züchterisch bestmöglich vorgebeugt. Die Sicherheit von 0,57 beweist die Verlässlichkeit des neuen genomischen Zuchtwertes. Der RZGesund bietet dem Tierhalter also eine ausgezeichnete Orientierung und Hilfe bei der Anpaarungsentscheidung. Der RZGesund optimiert gezielt/effektiv die Gesamtgesundheit der Herde. Bei Tieren bzw. Herden mit speziellen Herausforderungen helfen die Zuchtwerte RZEuterfit, RZKlaue, RZMetabol und RZRepro bei der Anpaarung und Wahl des Bullen.
Für die Nutzungsdauer unserer Milchkühe gibt es schon länger Zuchtwerte und diese werden intensiv für die Selektion verwendet. Für die Jungtiere gibt es aber seit langer Zeit nur den Zuchtwert für Totgeburtenrate, also Verluste bis 48 h nach der Geburt. Die Aufzuchtperiode war bisher für die züchterische Bearbeitung ein schwarzes Loch
. Dies ändert sich im August 2019 mit der offiziellen Einführung des Zuchtwertes für Kälber-Fitness, RZKälberfit.
Dieser beschreibt die genetisch bedingte Fähigkeit die Aufzuchtperiode von Tag 2 bis zum Alter von 15 Monaten zu überleben. Wie bei der Nutzungsdauer der Kühe, sind auch für die Verluste bei Jungtieren in den verschiedenen Altersabschnitten unterschiedliche Krankheiten ursächlich. Daher werden im Schätzmodell 5 verschiedene Altersabschnitte berücksichtigt (Tag 3-14, 15-60, 61-120, 121-200, 201-458). Die Erblichkeit ist mit knapp 2 % nicht besonders hoch, aber die genetische Streuung ist mit ±3 % Verlusten erheblich. Die Datengrundlage ist umfassend und damit die Sicherheit gut. Der rein genomische RZKälberfit hat eine Sicherheit von 51 %.
Datengrundlage sind die HIT-Abgänge wegen Verendung
bzw. Tötung
für weibliche Jungtiere geboren seit 2006. Insgesamt sind ca. 8 Millionen weibliche Kälber in der Zuchtwertschätzung. Männliche Kälber werden in der Zuchtwertschätzung nicht verwendet, da diese i.d.R. den Geburts-Betrieb mit gut 14 Tagen verlassen. Der Zuchtwert RZKälberfit wird auf der üblichen Relativ-Skala mit 100 als Mittelwert und genetischer Streuung 12 ausgedrückt. Hohe Werte bedeuten dabei weniger Kälberverluste. Der Mittelwert 100 entspricht etwa 93 % bis 15 Mo. überlebter Tiere, wobei 60% der Jungtierverluste in den ersten beiden Altersabschnitten bis 60 Tage auftreten.
Dr. Stefan Rensing, vit